Im Jahr 1968 wandert Urs Anner nach Finnland aus, um im Büro des Stararchitekten Alvar Aalto zu arbeiten. Doch die Winter im Norden sind lang und hart. Anner verspürt dauernd einen unangenehmen Druck auf der Stirn. Seine Nase läuft und ist entzündet. Er atmet vermehrt durch den Mund und sein Geruchssinn tendiert gegen Null. «Schon als Jugendlicher hatte ich immer den Pfnüsel», erklärt Anner. Zunächst denkt er sich nicht viel dabei. Auch sein Vater hatte an ähnlichen Symptomen gelitten. Doch die bittere Kälte verschlimmert seinen Zustand zunehmend.
Schuld an Anners Leiden sind Nasenpolypen, die infolge von chronischen Entzündungen der Nasenschleimhaut entstehen können. Ende der 60er-Jahre weiss man das noch nicht. Als er sich in Finnland medizinisch untersuchen lässt, sind die Behandlungsmöglichkeiten zunächst begrenzt. Ihm wird die Kieferhöhle gespült und Antibiotika verschrieben. Dieses Prozedere wiederholt sich jeden Winter. Sein Zustand verbessert sich dadurch aber kaum. 1994 kehrt Anner in die Schweiz zurück und lässt sich ein Jahr später zum ersten Mal operativ die Polypen schneiden.
Die Operation steigerte die Lebensqualität von Herr Anner deutlich. Er kann zum ersten Mal seit Jahren wieder frei durch die Nase atmen. Zum ersten Mal konnten Chirurgen mithilfe eines Mikroskops weit in die Nase hineinsehen. Das erleichterte die Operation und verminderte die Risiken: «Das war ein Meilenstein in der Operationstechnik», sagt Anners behandelnder Hals-Nasen-Ohren Arzt Martin Scherler. Mehrere Jahre kann Urs Anner beschwerdefrei leben bis er im Jahr 2006 an Asthma erkrankt. Zweimal täglich muss er inhalieren und die Werte notieren.
Im Jahr 2011 muss sich Urs Anner seiner bisher letzten Operation unterziehen. Die Polypen sind zurückgekehrt: «Seine Nase war wieder voller Polypen, als wären sie nie operiert worden», erinnert sich Martin Scherler. Enorme technische Fortschritte bei bildgebenden Verfahren erlauben in der Zwischenzeit eine genauere Planung und Ausführung der Operation. Polypen können besser entfernt werden als früher. Der wirkliche Game-Changer kommt aber mit einem neuen Medikament, das Anner 2020 erhält. Es beendet sein Leiden und gibt ihm neue Lebensqualität. Die Krankheitsgeschichte von Urs Anner illustriert gleichzeitig die Geschichte des medizinischen Fortschritts.